Das große Interview mit Vika und Etienne 16-20

 In Allgemein

Welche Freundschaft von früher fehlt dir?

(16. September)

Vika: Nachts im Flughafen ist es irgendwie unheimlich.

Etienne: Gut zu wissen, dass wir nichts erleben dürfen, sonst wäre es ja Teil der Geschichte, die weiterzuschreiben Alizée im Moment nicht schafft. Es wird also genauso langweilig bleiben wie es jetzt ist.

Vika: Hast du Nachrichten von ihr?

Etienne: Nur die obligatorische Tagesfrage.

Vika: Die da lautet?

Etienne: Welche Freundschaft von früher fehlt dir?

Vika: Die zu Daniel. Okay, das mit ihm war mehr als Freundschaft. Aber nach allem, was wir in den letzten Wochen über ihn erfahren haben, frage ich mich schon, wie sich das zwischen uns entwickelt hätte, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten.

Etienne: Also zwischen UNS hätte sich dann ganz bestimmt gar nichts entwickelt.

Vika: Höre ich da so was wie Wenn-du-nicht-sagst-dass-du-froh-bist-dass-Daniel-gestorben-ist-bin-ich-gekränkt?

Etienne: Hallo? Das würde ich nie sagen und das würde ich auch nicht von dir verlangen. Es reicht mir voll und ganz Nutznießer zu sein, dass er das Feld so früh geräumt hat.

Vika: Merkst du, dass du dich gerade auf verdammt dünnem Eis bewegst? Es knackt schon unter deinen Reifen. Aber vielleicht hast du Glück und du möchtest vorher noch zugeben, dass dir deine Freundschaften aus Japan fehlen, mit denen du nach deinem Unfall so charmant abgeschlossen hast.

Etienne: Da fehlt mir niemand. Naja. Ich freue mich darauf, Tom wiederzusehen. Ein bisschen irre, ich weiß.

Vika: Ich hoffe, ich bin dabei. Ich würde gern sehen, wie er dir zur Begrüßung eine reinhaut.

Etienne: Abwarten.  Der Countdown läuft.

Wie verbringst du einen Abend mit Freunden?

(17. September)

Vika: Der Typ von der Gepäckabfertigung hat uns einen Kaffee ausgegeben. Er fragt, ob er irgendwas für uns tun kann.

Etienne: Unsere Autorin mit Antibiotika füttern, damit sie endlich den zweiten Roman mit unserer Geschichte weiterschreibt und wir nicht hier versauern müssen. Derweil beantworten wir die 17. Septemberfrage. Wie verbringst du einen Abend mit Freunden? Sag an.

Vika: Wann habe ich denn zuletzt einen Abend mit Freunden verbracht? Das war wohl die Nacht, in der Daniel starb. Damals haben Mel, Magda, Marina und ich beim Karaoke im O’Reilly’s Irish Pub in Heidelberg unseren Abschied gefeiert. Es war das letzte Mal, dass ich gesungen habe.

Etienne: Aber nicht das letzte Mal, dass du mit Freunden einen Abend verbracht hast. Denk dran: Meine Freunde sind auch deine Freunde.

Vika: Und wir haben bis neulich wundervolle Abende mit Marie-Lou und Marc verbracht. Ja, das stimmt. Wir saßen zusammen, haben gegessen, getrunken, gelacht. Entsprach das in etwa deinem typischen Abend mit Freunden, wie du ihn vor mir verbracht hättest?

Etienne: Jein. Oft gehen wir auch tanzen. Du weißt ja, ich verbringe ungern mehr Zeit im Bett als unbedingt notwendig.

Vika: Eigentlich.

Etienne: Ja, EIGENTLICH. Jedenfalls bin ich oft ausgegangen. Oft mit Nadia, aber auch danach noch. Es gibt Leute, die hauptsächlich im Nachtleben meine Freunde sind. Wir haben zusammen Spaß auf der Tanzfläche oder irgendwo in einer Bar und das ist cool, aber nicht mehr.

Vika: Werden wir zusammen ausgehen, wenn wir wieder in Heidelberg sind?

Etienne: Ich fürchte, wir werden uns erstmal um ein paar andere Dinge kümmern müssen. Deine Wohnung auf den Kopf stellen, zum Beispiel, auf der Suche nach …

Vika: Erinnere mich nicht daran. Sonst bekomme ich gleich wieder Angst …

Wer ist dein gefallener Held?

(18. September)

Stress! Vika: Wann fliegen wir jetzt?

Etienne: Praktisch sofort. Alizée ist eingefallen, dass sie uns ja auch im Flugzeug noch hängenlassen kann. Oder nach der Ankunft in Frankfurt. Oder auf dem Weg nach Heidelberg. Aber wenigstens dürfen wir jetzt los.

Vika: Das fällt ihr wirklich früh ein. Dass sie den Rückflug gar nicht beschreibt, hätte sie doch auch vorher wissen können.

Etienne: Wie auch immer. Wir müssen gleich zum Shuttle.

Vika: Und vorher sollen wir erzählen, wer unser gefallener Held ist.

Etienne: Ja, das hat Alizée super umsichtig geplant. Nicht.

Vika: Also. Mein gefallener Held wird immer Daniel sein. Er war jung. Hochbegabt. Ehrgeizig. Er hatte große Ziele und er hätte wirklich das Zeug gehabt, sie zu erreichen. Ich kann es immer noch nicht anders sehen, als dass sich der Lauf der Geschichte geändert hätte, wenn es vergönnt gewesen wäre, eine volle Lebensspanne auf diesem Planeten zu verweilen.

Etienne: Ich weiß ja nicht… Mein gefallener Held ist Toni. Er hat Karate als Selbstverteidigung gelernt, hat trainiert, um seinen Charakter zu formen, sich selbst zu perfektionieren und inneren Frieden zu finden. Dann brach der Jugoslawienkrieg aus. Schlimme Dinge passierten mit seiner Familie und er stellte sein Können in den Dienst der Rache und ist nie wieder glücklich geworden. 1994 kam er als Kriegsflüchtling nach Deutschland, zog durch die Martial-Arts-Schulen auf der Suche nach Talenten. Er hat mich gefunden. In diesem Umstand vereinen sich Komik und Tragik des launischen Schicksals.

Vika: Ihr arbeitet immer noch zusammen.

Etienne: Wieder. Wir arbeiten WIEDER zusammen. Toni ist mein bester Freund, aber es gab eine Zeit, in der meine Behinderung den Umgang zwischen uns fast unmöglich gemacht hat.

Vika: Ich bin froh, dass ihr diese Phase überwunden habt.

Etienne: Da hinten winkt der Typ vom Assistenzservice. Wir müssen los. Erstaunlich, wie wir uns hier ewig langweilen müssen und dann bricht plötzlich die große Hektik aus, weil Frau Autorin eine Idee hatte …

Mit wem verstehst du dich am besten?

(19. September)

*Bitte schalten Sie alle elektronischen Geräte an Bord aus, stellen Sie die Rückenlehne senkrecht und klappen Sie den Tisch ein. Wir dürfen unsere Parkposition endlich verlassen*

Vika: Alizée schindet Zeit auf Teufel komm raus. Jetzt müssen wir tatsächlich auch noch darauf warten, dass wir die Startbahn benutzen dürfen. Als wenn diese Insel hier einen Flugverkehr wie London Heathrow hätte… Mach dein Handy aus.

Etienne: Nein, Moment. Da kommt noch was von Alizée.

Vika: Grmpf … Du willst nicht riskieren, dass das Flugzeug …

Etienne: Ich riskiere gar nichts. Wir befinden uns in einer toten Zeit. Das ist die Zeit in einem Roman, die vergeht, ohne dass der Autor oder die Autorin darüber schreibt. Hinterher steht da nur „Sie flogen noch am selben Tag zurück“ oder so. Es gibt keine bessere Garantie, dass auf diesem Flug absolut nichts Spektakuläres passieren wird.

Vika: Was will sie wissen?

Etienne: Mit wem wir uns besten am besten verstehen. Das wird schwierig …

Vika: Warum? Über die Jahre betrachtet, verstehe ich mich am besten mit meinen Eltern. Okay, JETZT gerade nicht. Aber ich hoffe, dass wir irgendwann wieder zueinander finden werden. Jedenfalls konnte ich ihnen immer alles erzählen und sie haben mich bis vor einigen Wochen auch immer unterstützt.

Etienne: Tja, das hätte ich nur von meiner Mutter sagen können. Aber ich denke, am besten verstehe ich mich mit Marie-Lou. Sie ist nicht nur Schwester, sondern auch Freundin. Wir waren immer füreinander da, haben wirklich schwierige Situationen gemeistert. Es ist einfach ein sehr, sehr enges Verhältnis. Weißt du, manchmal ruft sie mich an, weil sie spürt, dass es bei mir gerade nicht so läuft und sie hat mich dabei schon auf dem Fußboden erwischt oder im Auto, nachdem mir ein Rollstuhlrad beim Zusammenbauen aus der Hand gerutscht und weggerollt ist.

Vika: Hör auf, das ist zu süß …

Etienne: Dass ich meine Behinderung mich in bekloppte Situationen bringt?!

Vika: Dass Lou-Lou das spürt. Und umgekehrt ist es ganz bestimmt auch so.

Hast du Angst vor jemandem, den du kennst?

(20. September)

*Willkommen in Frankfurt Main Flughafen. Die Außentemperatur beträgt 24 Grad Celsius. Bitte bleiben Sie noch so lange angeschnallt auf ihren Plätzen, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben.*

Vika: Hey, Cheri, das bedeutet auch, dass du dein Smartphone noch nicht einschalten sollst.

Etienne: Orr … Ich habe dir vorhin schon gesagt: Wir befinden uns in unserer Geschichte an einer komplett irrelevanten Stelle. Im Buch später wird nichts davon zu lesen sein, weil wir de facto nichts erleben. Wir müssen erst zurück nach Heidelberg, bevor es weitergeht.

Vika: Da scheinst du dir ja sehr sicher zu sein. Was, wenn Alizée den Plot ändert? Etienne: Ich denke, sie ist gerade anderweitig beschäftigt. Außerdem ist sie keine, die kurz vor den Spannungsmomenten im letzten Buchdrittel noch einmal die Handlung ändert und ein Flugzeug explodieren oder den Prota verhaften lässt, weil der sein Handy zu früh wieder einschaltet.

Vika: Hat sie eine Frage geschickt?

Etienne: Ja. Hast du Angst vor jemandem?

Vika: Das ist jetzt nicht ihr Ernst! Wir kommen gerade nach Deutschland zurück und ich habe eine Scheißangst, was wir in meiner Wohnung vorfinden und sie fragt so was??? Natürlich habe ich Angst vor jemandem! Ich hätte es nie gedacht, aber das hier ist so unberechenbar … Sag nicht, du hast keine Angst.

Etienne: Angst nicht. Aber meine Bereitschaft, mich einer bestimmten Person gegenüber zivilisiert zu verhalten, ist in den letzten 48 Stunden rapide gesunken.

Vika: Versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tun wirst.

Etienne: Ich verspreche, dass ich sehr genau überlegen werde, was ich tue.

Vika: Warum beruhigt mich das jetzt nur so semi?

Etienne:  Tja …

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