Mein Vollzeitjob, meine Familie, mein Autorenleben

5. August 2020 – Wenn mich Menschen im virtuellen oder im echten Leben kennenlernen, kommt es immer wieder vor, dass die sich fragen: Wie schaffst sie das nur alles?
Okay, ich habe einen durchaus anspruchsvollen Vollzeitjob. Den brauche ich, um den Lebensstandard unserer kleinen Familie, bestehend aus meinem Mann und meiner 15-jährigen Tochter, zu sichern. Meine Bücher schreibe ich in meiner Freizeit, von der ich nicht allzu viel habe. Denn den Vollzeitjob mache ich nicht nach Stechuhr.  Oft arbeite ich mehr als vierzig Stunden in der Woche.

Schreiben neben dem Vollzeitjob

Zwischen 2012 und 2017 habe ich es trotzdem geschafft, meinen Debütroman »Dein Weg, meine Liebe«“ zu schreiben und zu veröffentlichen. Ein Jahr später habe ich meinen Erzählungsband »Das Echo der Farben« mit sechs – zu dem Zeitpunkt weitestgehend vorhandenen – Geschichten herausgebracht. Parallel habe ich damals schon an dem Roman geschrieben, der nun im September das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird. Groß war mein Schreck, als mir der Setzer das fertig gelayoutete Buch zurückschickte: 484 Buchseiten! Da fragte ich mich sogar selbst: Wie, um Himmels willen, habe ich DAS geschafft?

Gut soll es werden

Ich erinnerte mich an die Jahre 2018 und 2019. Beides Jahre, in denen es beruflich gut zur Sache ging (Anfang 2020 wurde ich befördert) und in denen ich mit meinem chronisch kranken Mann so manche bange Woche durchlebte. Wie war es möglich, »nebenbei« ein Buch von fast 500 Seiten zu schreiben? Die Antwort ist denkbar einfach: Weil ich es wollte. Es war mir ein Bedürfnis, dieses Buch zu schreiben. Der Umfang war nebensächlich, an erster Stelle stand der Wunsch, es gut zu machen.

Prioritäten statt Routinen

Kürzlich las ich ratgeberähnliche Anleitungen, wie man neben einem Vollzeitjob ein Buch schreibt. Ich war neugierig und wollte sehen, ob ich die dort vermittelten Tipps vielleicht unbewusst umsetze. Bitter war meine Enttäuschung, denn ich habe keine Routinen, keine Schreibbuddies, keine Tages- oder Wochenziele und auch keine Instanz, vor der ich Rechenschaft ablegen muss. Was ich habe, ist ein Händchen für Prioritäten.

Der Vollzeitjob gibt den Takt vor

Diese Überschrift dort oben aus sechs Wörtern fasst es im Grunde perfekt zusammen: Mein Leben besteht aus meinem Vollzeitjob, meiner Familie und meinem Autorenleben. In dieser Reihenfolge. Der Job ist die finanzielle Grundlage meiner Familie, deshalb nimmt er die meiste Zeit in Anspruch. Wenn ich mir Ziele setze, dann dort. Wenn ich Routinen entwickle, dann, um mir den Hauptjob zu erleichtern. Er gibt den Takt vor. Ich fange nicht jeden Tag pünktlich um 8:30 Uhr an und schon gar nicht schalte ich um 18 Uhr den Laptop aus. Wenn es die Arbeit erfordert, schreibe ich eine Pressemitteilung über das Wochenende oder stimme mich abends um 21 Uhr mit Paris oder London ab. Das ist in Ordnung. Damit verdiene ich mein Geld und dieses Geld verschafft mir die Möglichkeit, meine Bücher zu publizieren, ohne bei Verlagen oder Agenturen Klinken putzen und mir – wie in meiner Jugend – sexistische oder abwertende Sprüche über die fehlende Relevanz meiner Texte anhören zu müssen.

Haushalt ist keine »Quality Time«

Die Zeit, die neben dem Hauptjob bleibt, teilen sich Familie und Autorenleben. Auch hier priorisiere ich. Mit meiner Familie möchte ich möglichst viel „Quality time“ verbringen. Das ist intensive Zeit zu zwei oder zu dritt, an die man sich auch später noch gern erinnert. Vorlesen mit der Tochter, gemeinsam Spazierengehen, ihr helfen, ein Problem zu lösen (mit Instagram, mit einer Praktikumsbewerbung, mit Freunden). Mit dem Gatten einfach mal eine Stunde im Gespräch verbringen. Ich mag keine Zeit verschwenden mit Genörgel, Ärger über unverschlossene Zahnpastatuben, nicht heruntergetragenes Geschirr. Der Haushalt hat keine Priorität in meinem Leben. Er hat unserer Familie zu dienen, nicht umgekehrt. Dass jedes Familienmitglied frische Wäsche, gesundes Essen und einen insektenfreien Lebensraum vorfindet, dient der Familie. Dass die Wäsche unmittelbar nach dem Trocknungsvorgang gebügelt, das Essen pünktlich zu bestimmten Uhrzeiten serviert und das Badezimmer nach Zuständigkeitsplan gesäubert wird, nicht.

Schreiben am Morgen und am Abend

So priorisiert genieße ich erstaunlich viel Freizeit, die ich mit meinem Autorenleben fülle. Wenn ich den Morgen nicht als Vorbereitung für den Hauptjob brauche, sitze ich zum Beispiel  (so wie jetzt gerade) wochentags zwischen 7:30 und 8:30 Uhr an meinem Autorinnen-Laptop. Wenn es meine eigene körperliche und geistige Verfassung zulässt, widme ich mich auch abends zwischen 20 oder 21 Uhr bis 23 Uhr dem Autorenjob. Wochenenden, Feiertage und  Urlaub dienen dazu, auch mal längere Zeit am Stück zu schreiben.

Leben ohne Fernsehen

Ich glaube, ich habe inzwischen ein sehr gutes Gespür dafür, welche Tätigkeiten auf meine drei zentralen Lebensinhalte einzahlen. Sport, Kinoabende, Partys, Grillabende, Fernsehen, Shoppingtouren, Online- oder Videospiele, lange Telefongespräche, Vereinsleben, Stammtischcliquen – das alles findet in meinem Leben selten bis gar nicht statt. Und dies ist der Grund, warum ich die falsche Person für »Fünf Tipps wie du deinen Roman neben Vollzeitjob und Familie schreibst« bin. Denn ich möchte wirklich niemandem raten, es so zu machen wie ich.

Wenig Sozialleben

Mein Sozialleben spielt sich im Rahmen der Arbeit oder innerhalb meines Autorenlebens mit Kolleginnen und Leserinnen ab. Die wesentliche Veränderung seit Corona bestand darin, dass ich meinen Hauptjob jetzt aus dem Homeoffice bestreite. Das Privatleben blieb unverändert. Ich habe weiterhin übers Jahr gesehen etwa ein bis zwei private, persönliche Begegnungen im Monat. Im Nachhinein kann ich gar nicht sagen, ob ich mein Sozialleben so heruntergefahren habe, um zu schreiben oder ob ich angefangen habe, mehr zu schreiben, weil ich so wenig Sozialleben habe. Tatsächlich hat es sich einfach so gefügt, wie es für mich passt.

Glücklich, aber kein Vorbild

Damit kann ich aber kein Vorbild für andere sein. Vermutlich könnte kaum jemand so leben wie ich und sich dabei noch gut fühlen. Denn ich bin tatsächlich zufrieden. Ich brauche nicht viele Sozialkontakte, ich brauche die richtigen. Menschen, die mich inspirieren, mich verstehen, mich unterstützen und denen die Zeit mit mir – hoffentlich – das Gleiche gibt. Viele dieser Kontakte stammen übrigens inzwischen über Social Media aus der Buchbubble, nur noch wenige aus meinem Leben vor dem ersten Buch. Ich stelle fest, dass manchmal schon wenige Chat-Nachrichten reichen, um mich für Stunden zum Weiterschreiben zu motivieren.

Nichts anderes

Das Geheimrezept, wie ich es also schaffte, Vollzeitjob, Familie und Autorenleben unter einen Hut zu bringen, ist als denkbar einfach: Ich tue nichts anderes. Und so gesehen ist es dann auch wieder nicht überraschend, dass ich in zwei Jahren 500 Seiten schreibe.

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