Wo sehe ich mich in fünf Jahren?

 

19. April 2020 – Wo sind sie hin, meine Zukunftspläne? Das schoss mit dieser Tage wieder durch den Kopf, als in den Sozialen Medien unter dem Hashtag Autorensonntag dazu aufgerufen wurde, die Frage zu beantworten: Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Auf der Karriereleiter

Die Frage kenne ich gut aus meiner inzwischen 22-jährigen Vollzeitberufstätigkeit. Bei keinem Vorstellungs- oder Jahresgespräch darf diese Frage fehlen, denn die Chefs möchten wissen, welche Ziele ich als Mitarbeiterin habe und ob diese sich mit ihrer eigenen Einschätzung von mir decken. Es empfiehlt sich also, Ziele zu haben, Pläne und Ideen, wie sich die Karriere entwickeln sollte. Es fiel mir nie schwer, in solchen Gesprächen einen professionellen Eindruck zu hinterlassen. Engagiert, organisiert und ehrgeizig bin ich aufgetreten. Mit einer realistischen Selbsteinschätzung.

Sprachlose Autorin

Über die Jahre bin ich so die Karriereleiter weiter nach oben geklettert und selbst wenn ich jetzt noch nach meinen Fünf-Jahres-Zielen gefragt werde, kann ich welche nennen, die sich mit den Unternehmenszielen im Einklang befinden und nicht so ambitioniert klingen, dass Kollegen um ihre eigenen Positionen fürchten müssten.
Ganz anders in meinem Autorenleben. Hier verursacht die Frage, wo ich mich in fünf Jahren sehe, Sprachlosigkeit. Lange ist mir das gar nicht aufgefallen.

Wünsche statt Ziele

Denn ich hatte ja Ziele – oder vielmehr Wünsche. So muss man das nennen, wenn man Ziele hat, die man allein nicht erreichen kann und gleichzeitig wenig Erfahrung hat, die richtigen Verbündeten zu finden. Der Literaturbetrieb ist für mich immer noch in erster Linie ein Betrieb, dem ich nicht angehöre. Früher hat mich das frustriert. So viel Energie habe ich als Teen und Twen investiert, um meine Manuskripte bei einem großen Verlag unterzubringen und es doch, wie ich heute weiß, völlig falsch angestellt.

Das Mimimi der Autorin

Inzwischen habe ich meine Wünsche noch einmal auf den Prüfstand gestellt und darüber nachgedacht, wie ich mein Autorenleben professionalisieren könnte. Dann kam Corona und meine Überlegungen der Jahreswende – ein Exposé für »Zum Horizont führt keine Treppe« zu schreiben und es Agenturen/Verlagen anzubieten – wurden von der Realität überholt. Ich hätte sehr viel Mut, Kraft und Konzentration gebraucht, um dieser Zeit mit meinem Manuskript auf Verlagssuche zu gehen. Nichts davon stand zur Verfügung. Durch die gesundheitliche Verfassung meines Mannes und die veränderten Arbeitsbedingungen in meinem Familienernährerin-Vollzeitjob befinde ich mich seit Monaten im Ausnahmezustand. Ich bin froh, dass ich es überhaupt schaffe, den neuen Roman zu veröffentlichen.

Parallele zu Protagonisten

Interessanterweise ist mir über mein eigenes Gejammer bewusst geworden, dass ich den Fehler meines Protagonisten gerade selbst begehe. Denn Etienne geht es in meinem neuen Roman wie mir im echten Leben: Wer immer wieder erlebt, wie das Leben die eigenen Pläne in den Staub tritt, macht irgendwann keine mehr. Das kann sich positiv und negativ auf die eigene Lebenseinstellung auswirken. Positiv, wenn sich aus der »Planlosigkeit« ein Leben im Hier und Jetzt entwickelt und die Fähigkeit wächst, die guten Momente zu genießen, nichts aufzuschieben und spontane Gelegenheiten zur persönlichen Weiterentwicklung zu ergreifen.

Leben im Hier und Jetzt

Die negative Folge ist Zukunftsangst. Keine Pläne, nur noch Hoffnung, dass es in einem Jahr besser sein möge als heute – oder wenigstens nicht schlimmer. Als Mensch durchlebe ich in diesen Monaten eine solche Phase der Angst. Ich fühle mich verzagt. An meinen Protas kann ich zeigen, dass das falsch ist. Menschen wollen wachsen. Sie wollen sich Ziele setzen und Pläne schmieden. Das liegt in unserer Natur. Es ist unwichtig, ob das Leben diese Pläne durchkreuzt. Dann müssen wir sie eben anpassen.

Wider die Angst

Aber wenn wir keine Ziele mehr haben, überlassen wir der Angst das Feld. Dann werden wir passiv, warten auf Chancen, die sich vielleicht bieten, vielleicht aber auch nicht. Gut, die Gefahr, dass ich in Passivität verfalle, ist in meinem Fall nicht sehr groß. Trotzdem werde ich versuchen, gegen meine Angst zu kämpfen. Vielleicht komme ich in fünf Jahren dann dahin, dass ich endlich eine Antwort auf die Eingangsfrage finde.

Für 2030 dann.

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